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30. Januar 1933 – Ende einer Republik

von Hanns-Martin Wietek

Das, was sich in den frühen 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts zu einem Politkrimi entwickeln und schließlich die Welt in ein bis heute unübertroffenes Unglück stürzen sollte, nahm seinen Ursprung im Jahr 1918.
Die nach dem Sturz der Monarchie provisorische Regierung (Rat der Volksbeauftragten) unter der Leitung des überzeugten Demokraten Friedrich Ebert (SPD) beschloss am 30. November Wahlen für die verfassunggebende Nationalversammlung. Da die Erinnerung an die undemokratischen Zustände der Vergangenheit noch frisch war, legten sie fest, dass diese Wahlen, die für den 19. Januar 1919 angesetzt waren, vollkommen demokratisch sein müssten. Jeder – zum ersten Mal auch die Frauen – sollte durch eine Partei vertreten sein. Das Verhältniswahlrecht ohne Prozenthürde garantierte, dass jede Partei – ob groß, ob klein – eine exakt ihrem prozentualen Stimmenanteil entsprechende Anzahl von Abgeordneten in die Nationalversammlung schicken konnte.

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Friedrich Ebert, von 1919
bis 1925 Reichspräsident
(© Bundesarchiv, Bild 102-
00015, CC-BY-SA)

Nun war es aber mitnichten so, dass alle Deutschen plötzlich überzeugte Republikaner geworden waren, was sich im Ergebnis der Wahlen niederschlug: Von radikalen Sozialisten über Vertreter der linken und konservativen Mitte sowie Erzkonservative bis hin zu den Monarchisten, die Preußens Glorie wieder auferstehen lassen wollten, war alles vertreten (die KPD war gerade erst gegründet worden und NSDAP gab es noch nicht). Die Verfassung, die am 31. Juli 1919 in Weimar (daher der Name Weimarer Republik) beschlossen und am 14. August 1919 verkündet wurde, musste daher zwangsläufig ein Kompromiss sein. Die Republik war eine parlamentarische Demokratie mit einem starken Präsidenten, dem (ähnlich einem Monarchen) viele Rechte zugestanden wurden. Das Verhältniswahlrecht wurde festgeschrieben.

Bedeutsam für die spätere tragische Entwicklung waren zwei Aufgaben des Reichspräsidenten:
Erstens ernannte er (wie früher der Kaiser) den Reichskanzler, dessen Aufgabe es war, eine Regierung zu bilden, die sich auf eine Mehrheit im Parlaments stützen sollte – wie er das zustande brachte, blieb ihm überlassen. Wenn er es nicht schaffte, konnte er ihn wieder entlassen. Und wenn keine Mehrheit zustande kam, konnte der Präsident den Reichstag auflösen und Neuwahlen ansetzen. Der Kanzler war vollständig vom Reichspräsidenten abhängig, der ihm jederzeit das Vertrauen entziehen konnte.
Zweitens konnte der Präsident aber auch einen Kanzler bestimmen, der gemäß Notverordnung mit präsidialen Erlassen ohne oder sogar gegen den Reichstag regierte. Der Reichstag wiederum hatte zwar die Möglichkeit, Notverordnungen aufzuheben, indem er dem Kanzler sein Misstrauen aussprach, doch der Präsident konnte dann einen neuen Kanzler beauftragen (der durchaus auch derselbe sein konnte), den Reichstag auflösen und Neuwahlen ansetzen.

Im Februar 1925 starb der erste Reichspräsident Friedrich Ebert, der die Republik (mitunter mit Waffengewalt) sowohl gegen linke als auch gegen rechte Radikale verteidigt hatte. Das Volk musste einen neuen Reichspräsidenten wählen. Nachdem im ersten Wahlgang erwartungsgemäß kein Kandidat die absolute Mehrheit erreicht hatte, standen sich im zweiten Wahlgang Wilhelm Marx, der Vertreter der republikfreundlichen sogenannten Weimarer Koalition aus SPD, Zentrum und Deutscher Demokratischer Partei, und Paul von Hindenburg gegenüber, der den aus den national, konservativ und monarchistisch gesinnten Parteien bestehenden sogenannten Reichsblock repräsentierte. Eine ganz unrühmliche Rolle spielte die KPD, die ihrem aussichtslosen Kandidaten Ernst Thälmann nicht zurückzog, obwohl sie wusste, dass sie damit indirekt ihre schlimmsten Feinde, die Monarchisten, unterstützte. Sogar die gerade neu wiedergegründete NSDAP verzichtete auf einen Kandidaten und empfahl, Hindenburg zu wählen. Noch nicht einmal die Hälfte der für Thälmann abgegebenen Stimmen hätte gereicht, dass nicht Hindenburg, sondern Marx Reichspräsident geworden wäre. Die Weltgeschichte wäre anders verlaufen.

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   Paul von Hindenburg,
   von 1925 bis 1934 Reichs-
   präsident (© Bundesarchiv
   Bild 183-S51620, CC-BY-SA)

Der 77-jährige Hindenburg hatte zwar nicht die absolute, sondern nur die relative Mehrheit erreicht, aber insgesamt hatte doch fast die Hälfte der Deutschen ihren Ersatzkaiser gewählt, den ehemaligen, ruhmbedeckten Generalfeld- marschall und Sieger in der Schlacht bei Tannenberg (Erster Weltkrieg), einen Uradligen, dessen Stammbaum fast länger war als der des Kaiserhauses. Scheinbar war er zu diesem Zeitpunkt das richtige Pflaster auf der durch den verlorenen Krieg verwundeten Seele des deutschen Volkes – obwohl doch gerade dieser „Retter“ des Vaterlandes und seine „Kameraden“ das deutsche Volk im Ersten Weltkrieg ins Unglück gestürzt hatten.
Hindenburg war alles andere als ein Demokrat; aus seinem Widerwillen gegen die Republik hat er nie einen Hehl gemacht. Er war mit Leib und Seele ein befehlsgewohnter, überzeugt monarchistischer Generalfeldmarschall. Und da ein solcher natürlich niemals einen Krieg verliert, hatte er ganz nach der Devise „Was nicht sein darf, das nicht sein kann“ heftig an der sogenannten Dolchstoßlegende mitgestrickt. Dieser Legende nach blieb das Militär „im Felde unbesiegt“ und der Erste Weltkrieg wurde nur verloren, weil „die vaterlandslosen Gesellen“ von der Revolutionsregierung den bedingungslosen Waffenstillstand unterzeichneten. Eine grobe Verfälschung der Tatsachen – die Generalität war in Wirklichkeit nur clever genug gewesen, einen Abgeordneten der Revolutionsregierung vorzuschieben – in deren Folge der Begriff Novemberverbrecher für die Republikaner der ersten Stunde geboren wurde. Dieser sollte später noch schwerwiegendes Unheil anrichten.

Nun zur „Gegenseite“, der Parteienlandschaft in der Weimarer Republik. Es gab im Schnitt 14 Parteien – von extrem linken, die sich, wie der Spartakusbund, weniger als Parteien denn als revolutionäre Gruppierungen betrachteten, bis zu den extrem rechten Nationalsozialisten, die sich als „Bewegung“ verstanden und ebenfalls eine Revolution anstrebten; dazwischen gab es Parteien mit den unterschiedlichsten Interessen, die letztlich fast alle vor allem ihre eigenen Interessen vertraten. Und alle waren sie aufgrund des Verhältniswahlrechts im Reichstag vertreten. Nur drei Parteien waren staatstragend: die Parteien der Weimarer Koalition (SPD, katholisches Zentrum und linksliberale DDP), die allerdings nie die absolute Mehrheit für sich verbuchen konnten. Die anderen wollten einen anderen Staat: Die extreme Linke wollte eine Revolution und einen Staat nach russischem Vorbild, die Erzkonservativen wollten ihren Kaiser wiederhaben, die Industriekapitäne wollten nichts als Gewinnmaximierung und die Nazis wollten eine Diktatur nach eigenen Regeln, die sie allerdings – so Hitlers erklärter Anspruch – erst durchsetzen wollten, wenn sie formal-legal an die Macht gekommen waren.

Aber es gab in der Weimarer Republik nicht nur diese politisch unversöhn- lichen Widersprüche. Die Menschen, die von den widerstreitenden Parteien repräsentiert wurden, mussten schwere Schläge einstecken: hausgemachte und weltweite Wirtschaftskrisen, Hyperinflation mit Verelendung und sozialen Umschichtungen, sozial und politisch motivierte Arbeitskämpfe, Kriegsschuldzahlungen und militärische Interventionen, um Forderungen durchzusetzen (Frankreich). Das Selbstwertgefühl, das den Deutschen jahrzehntelang eingebläut worden war, hatte durch den Verlust des Krieges heftig gelitten. Und die Politik, die ein Großteil der Menschen aus dem „Land der Dichter und Denker“ ohnehin als etwas Widerwärtiges empfand (nicht von ungefähr heißt es schon in Goethes Faust I in Auerbachs Keller „Ein garstig‘ Lied! Pfui! Ein politisch‘ Lied.“), war tatsächlich widerwärtig geworden, denn sie war von den Extremisten auf die Straße getragen worden. Es herrschten im wahrsten Sinn des Wortes Mord und Totschlag. Und das Chaos spiegelte sich im Reichstag wieder: Bis 1930 gab es 13 Regierungen – in nur 11 Jahren!

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Heinrich Brüning, von 1930
bis 1932 Reichskanzler
von Hindenburgs Gnaden
(Bundesarchiv, Bild 183-
1989-0630-504, CC-BY-SA)

Am 27. März 1930 scheiterte die Weimarer Koalition an der Frage, ob der bestehende Beitragssatz für die Arbeitslosenversicherung von 3,5 % weiter angehoben und Beamte und Angestellte im Öffentlichen Dienst ebenfalls mit einbezogen werden sollen. Die SPD kündigte das Bündnis auf und Reichskanzler Müller trat mit der gesamten Regierung zurück.
Fast hundert Jahre später wundert man sich über die relative Nichtigkeit des Anlasses, der zu so gravierenden Veränderungen geführt hat. Das Ende der Weimarer Koalition war das Ende der für fast 20 Jahre letzten bürgerlich-demokratischen Regierung. Reichspräsident Hindenburg ernannte Heinrich Brüning von der Partei Zentrum zum Reichskanzler, ersetzte alle SPD-Minister durch Konservative und eigene Vertraute und gebot ihm, nach § 48 der Verfassung mit Notverordnungen ohne das Parlament zu regieren. Aus der parlamentarischen Republik wurde eine Präsidialdiktatur. Dem Parlament drohte er, es aufzulösen, wenn es seine Erlasse nicht akzeptierte – was er auch drei Mal machte, mit dem Erfolg, dass die NSDAP, die 1928 bei ihrer ersten Wahlbeteiligung kümmerliche 2,6 % für sich verbucht hatte, von Neuwahl zu Neuwahl immer stärker wurde.
Der Reichstag setzte seine schwerste (aber letztlich stumpfe) Waffe, das Misstrauensvotum, gegen Brüning nicht ein – die SPD tolerierte ihn, um das totale Chaos verhindern. Auf den Straßen indes, die sich die Radikalen zum Kampffeld erkoren hatten, regierte dieses Chaos längst. Extreme Haltungen fanden hier viele Anhänger, zumal der „Hungerkanzler“ Brüning, dessen Ziel die Wiederherstellung der Hohenzollernmonarchie war, durch seine strikte Sanierungspolitik die Lage der Bevölkerung, die unter der in Folge der Weltfinanzkrise vorherrschenden Arbeitslosigkeit ohnehin schon schwer zu leiden hatten, noch verschärfte und daher im Volk nicht gerade beliebt war.

In dieser Situation betraten neue Figuren die Politbühne, während im Hintergrund das Militär und die Industriebarone agierten – sie alle glaubten den Zeitpunkt gekommen, der verhassten Republik den Todesstoß zu versetzen. Es kam zu einem regelrechten Politkrimi. Of

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