Edelfedern: “Wenig recherchieren, Ornamente und Schwurbel”

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Sie sind die Zierde jeder Redaktion – und sie wissen es haargenau. Denn nur ganz selten
taucht in der Journalisten-Heerschar jemand auf, der das Talent zur aussergewöhnlichen
Schreibe hat. Seine Artikel fallen auf, da diese Storys so ganz anders sind als die Vielzahl der schmucklos hingeworfenen Stücke. Edelfedern liest man nicht in erster Linie wegen der Inhalte, sondern wegen ihrer kunstvollen Form. Und damit sind wir beim Problem. Denn irgendwie kommen die beiden Dinge nie recht zusammen. So sind akribisch recherchierende Journalisten selten Meister der Sprache. Umgekehrt widmen sich die Edelfedern vor allem ihren Formulierungen, weil sie sich damit auszeichnen wollen. Wie aber gelangt man zu journalistischen Bestleistungen? Die Washington Post hat das Problem nicht nur erkannt, sondern begann vor einiger Zeit mit einem interessanten Experiment. Man schuf dort einen Pool von Edelfedern und Toprechercheuren und erhofft sich so eine neue Spitzenqualität.

In der Schweiz war Niklaus Meienberg die schweizerische Edelfeder par excellence. Das war ihm bewusst, und deshalb pochte er penetrant auf seinen Edelfeder-Sonderstatus. Korrekturen an seinen Meisterwerken durch irgendeinen weniger sprachmächtigen Redaktor quittierte er jeweils mit Zornesausbrüchen. Auch Margrit Sprecher, während Jahrzehnten gehätschelte Edelfeder bei der Weltwoche, lieferte wunderbar komponierte Artikel ab, deren Fehlerquoten meist im kaum mehr tolerierbaren Bereich lagen. Aber das tat ihrem Ruf bei Chefredaktoren und Preiskomitees keinen Abbruch. Geblendet von der Macht der Formulierungen sanken diese Sprachfetischisten allesamt vor ihr in die Knie.

Tom Kummer kultivierte den Edelfeder-Status am exzessivsten. Unzufrieden mit den laschen Antworten der Hollywood-Prominenz veredelte er seine faden Aussagen mit eigenen Worten, bis er zur Effizienzsteigerung gar keine Interviews mehr führte. Die auf diese Weise entstandenen Texte lasen sich so hervorragend, dass die von der Brillanz der Sprache faszinierten Chefredaktoren lange keinen Versuch unternahmen, die Faktenlage infrage zu stellen. Oder wie sagt die korrupte Hauptfigur im Mafia-Epos «Boardwalk Empire»: «Don’t let facts get in the way of a great story.»

Constantin Seibt vom Tages-Anzeiger ist heute die wohl meistgelesene Edelfeder des Landes. Mit einer gehörigen Portion Chuzpe erläuterte er sein journalistisches Prinzip bei der Wahl der Schweizer Journalisten des Jahres: «Wenig recherchieren, wenig schreiben, Ornamente und Schwurbel». War das etwa gar ein Geständnis und damit mehr als eine locker hingeworfene Provokation? Jedenfalls zeichnen sich die Texte von Seibt damit aus, dass er sich oft journalistischer Quellen bedient, die er nicht benennt, sondern als eigene Recherchen präsentiert. Und in einem Ganzseiter zum Thema Bankenmoral zitierte er vor einiger Zeit einen anonymen Banker mit einer Vielzahl von witzigen, gescheiten und hintergründigen Einsichten, wie sie noch kein anderer Schweizer Journalist von einem namentlich vorgestellten Banker vorzeigen konnte. Diese anonymen Zitate waren so gut, dass sie beinahe an die geschliffenen Interviewantworten in einem Tom-Kummer-Text heranreichten. Sie veredelten einen Edelfedertext, der sich als geistreiches, elegant komponiertes Kunstwerk las. Und dank Seibts Geständnisses weiss man nun zusätzlich, wie das Ganze wohl zu deuten ist. Und ein Risiko, dass jemand klagen könnte, man habe ihn falsch zitiert, besteht in einem solchen Fall wohl
auch keines.

Roger Schawinski
Donnerstag, 15. März 2012 um 13:35 Uhr
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Plädoyer für Beni

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Putin bleibt und Beni geht. Ist das gerecht? Für den Zweitgenannten jedenfalls nicht. Beni Turnheer hätte – und da widersprech ich wohl den meisten Kritikern – einen besseren Abgang verdient. Es mag stimmen, dass die Quoten von „Benissimo” im Sinkflug sind (bei welcher Sendung nicht?), das Konzept überholt und die Lebensdauer von 20 Jahren jegliche TV-Norm überschritten hat. Doch Unsterblichkeit entsteht auch durch Konstanz: „Wetten dass…“ ist noch älter, der „Samschtig-Jass“ sowieso und der französische Startalker Michel Drucker parliert seit bald vierzig Jahren wöchentlich auf seinem roten Sofa in unmittelbarer Nähe der Champs-Elysees.
Die Programmverantwortlichen des Schweizer Fernsehens wollen nicht begreifen, dass Beni Turnheer einer der letzten grossen Stars des Leutschenbachs ist. Ganz in der Tradition von Heidi Abel, Mäni Weber und Kurt Felix. Mit dem Tod von „Benissimo“ stirbt auch eine ganze TV-Epoche, Beni war das Sinnbild für das Schweizer Fernsehen: manchmal schwerfällig, manchmal genial, aber immer schweizerisch.

Natürlich hätte man einem Beni niemals künden dürfen. Die Vorstellung wie er von Unterhaltungschef Christoph Gebel den blauen Brief bekommt oder zum Abschiedsgespräch geladen wird, befremdet. Einer wie Beni müsste seinen Abgang selbst verkünden: Als Paukenschlag. Das wäre der zweitschlechteste Fall, aber zumindest stilvoll. Umgeben von seinen Freunden Tina Turner, Robbie Williams oder Udo Jürgens. Stars, die allesamt in seiner Sendung aufgetreten sind. Sandra Studer hat beim „Schweizer des Jahres“ vorexerziert, wie man seinen Abschied zelebriert. „Der perfekte Abgang ist Teil jeder Show“, lehrt Altmeister Kurt Felix. Diese Möglichkeit hat das Schweizer Fernsehen dem „Plauderi der Nation“ nun genommen. Ohne Beni wird es am Leutschenbach definitiv matter.

Matthias Ackeret
Montag, 12. März 2012 um 10:27 Uhr
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Trend im modernen Newssendungsdesign

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Die neuen Opener des Schweizer Fernsehens sind nicht wirklich emotional: Personen oder Themenbilder, die auf den Inhalt der Sendung hinweisen, fehlen vollständig. Der stetige Wandel hin zu Abstraktem ist in den seit Mittwoch verwendeten Signeten deutlich sichtbar. Während etwa im Tagesschau-Opener, der zwischen 1996 und 2006 allabendlich die führende Sendung des Schweizer Fernsehens eröffnete, Themenbilder zu Finanzen, Katastrophen oder Energie zu sehen waren, wurden diese bereits mit dem Opener 2006 durch Sachlicheres ersetzt: An die Stelle von Bildern traten Schlagworte wie Partei- oder Städtenamen, die sich – zwar kaum lesbar – kreisförmig angeordnet durch den Raum bewegen (vgl. persoenlich.com).

Mit den seit Mittwoch gezeigten, neuen Signeten geht SRF den Weg weiter, hin zu mehr Sachlichkeit, Kürze und Straffheit. Das neue Logo setzt konsequent auf Corporate Identity, auf die Farben Rot und Weiss. SRF verzichtet sogar auf die typische News-Farbe Blau. „Ein gewagter Entscheid“, wie etwa der ehemalige SRF-Creative-Director Marco Fumasoli sagt.

Doch die im Raum schwebende, sich in raschem Tempo zusammensetzende, rote Weltkugel scheint einem Trend im modernen Newssendungsdesign zu entsprechen. So verwendet auch britische Rundfunkanstalt BBC ähnliche Elemente und setzt dabei ebenfalls auf extreme Kürze:

In der Diskussion um die neuen SRF-Signete stellt sich die Frage, warum die Verantwortlichen keinen umfassenderen Wechsel anstrebten. Warum wurde die alte Musik noch einmal verwendet? Ein Beispiel, wie eine radikalere Änderung hätte aussehen können, liefert das ZDF-”Heute Journal”. Das Signet der deutschen Newssendung wird immer wieder als “State-of-the-Art”-Beispiel genannt. Auch hier erhält die Weltkugel einen prominenten Platz. Besonders auffällig: Der sehr grosszügige Raum wird vollständig ausgenutzt, der Tiefeneindruck durch die animierten Linien verstärkt. Die Musik fällt dezent aus. Ausgeprägt ist die Betonung des Sekundenrhythmus, welche beim Zuschauer ein Gefühl von gespannter Erwartung auf die Sendung erzeugt. Als Symbol für Aktualität und Dynamik werden ausgewählte Tickernachrichten und die Schlagzeilen der Sendung eingeblendet. Dabei sind bereits im Opener die Moderatoren zu sehen. Dieser geschickt gelöste Einbezug der “Tagesschau”-Identifikationsfiguren bewirkt, dass der Schnitt zur Moderation fliessend ausfällt.

Zurück zur Frage: Warum fällt das Redesign bei SRF so bescheiden aus? Wahrscheinlich hat man gegen einen radikalen Wechsel entschieden, weil die Verantwortlichen nicht den Eindruck von Protzerei erwecken wollten. Dies ist nach Ansicht von Design-Experte Marco Fumasoli auch gelungen. Im Gegenteil: Er sieht dem neuen SRF-Signet an, dass beim Unternehmen “ein gewisser Spardruck, der vorzuherrschen scheint”.

Edith Hollenstein
Donnerstag, 1. März 2012 um 10:42 Uhr
Kategorien: Allgemeines, Online, Werbung
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Es geht auch anders!

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Wow – genau so muss es sein. Gestern Abend leitete die ehemalige TV-Moderatorin Regula Späni in Rapperswil-Jona eine Podiumsdiskussion zum Thema „Schülersorgen und Familiendramen“. Ihre Gäste waren nebst Eltern und Lehrern auch Erwin Beck (Rektor Pädagogische Hochschule St. Gallen) und der berühmte Kinderarzt und Buchautor Remo Largo. Im übervollen Stadtsaal „Kreuz“ deckten alle Beteiligten schonungslos auf, was heute in der Schule schief läuft und warum. Es wurde kein Blatt vor den Mund genommen, es gab keine Tabus, die Kommunikation war offen und ehrlich. Frisch von der Leber lieferte auch Medienprofi Regula Späni immer wieder Anekdoten aus der eigenen Familie und sorgte für Lacher oder verständnisvolles Nicken im Saal. Auch wenn einer zwischendurch in ein Fettnäpfchen trat; die Diskussion blieb friedlich, respektvoll und fair. Die rund 600 Gäste waren begeistert. Der Abend ein voller Erfolg. Genau so sollte es sein. Wie langweilig kommen dagegen die von PR-Profis geschliffenen Statements in Interviews daher. Gähn. Wir Journalisten wünschen uns wieder mehr Authentizität und Mut von Personen, die etwas zu sagen haben!

Christine Schnyder
Dienstag, 21. Februar 2012 um 11:09 Uhr
Kategorien: Allgemeines
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Diese FDP-Werbung ist unglaubwürdig und sehr dürftig

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Mir wurde nun heute ein Werbevideo der FDP Reinach zugestellt und bin von „20 Minuten“ gebeten worden, diese Arbeit zu beurteilen. Ich fragte bei der Betrachtung: Werden die klassischen Kriterien als Massstab angelegt? Ist die Botschaft verständlich? Welches ist die Wirkung? Welches Publikum wird angesprochen? Was ist die Kernbotschaft?

Vorweg: Das Video ist mehr als dürftig. Wer sich das Elaborat anschaut und anhört, stellt fest: Die Macher ignorieren die wichtigsten Prinzipien der Verständlichkeit. Das Prinzip der Einfachheit (Sprache), dann die Festigung einer konkreten Botschaft. Viele Akteure reden viel zu kompliziert  “Beschäftigung in Bezug auf Finanzen” (Sprache basiert auf Verben, nicht auf Substantiven). “Ein guter Standort hilft die Kosten von Sozialleistungen tragen.” Eine Dachbotschaft ist nicht auszumachen. Will die FDP den Standort Reinach fördern oder den Song “Gäll du wählsch mi, gäll Du wotsch mi” ankern. Mit dem “Tutti-frutti” an Personen, die künstlich lustig spielen, holt sich die FDP keine zusätzlichen Wähler. Ich habe bei einer Überprüfung festgestellt, dass auch Jugendliche auf dieses Video nicht ansprechen. Der Chor sei unglaubwürdig.

Bei der Werbung müssten die Macher die Wirkung ihres Produktes im Grunde genommen auch ernst nehmen. Die Auftritte der Teilnehmenden beim FDP Video sind  inszeniert, künstlich, unglaubwürdig. Personen und Aussagen stimmen mit dem “Wie” nicht überein. Nur Wenige wirken natürlich. Der Spot der Firma Fischer Bettwaren in Wädenswil ist zwar auch einstudiert und künstlich. Doch hat er bereits Kult, weil der Chef selbst an seine aufgesetzte Botschaft glaubt und immerhin verständlich veranschaulicht, was er den Kunden bieten kann.

Als parteiunabhängiger Kommunikationsberater freut es mich immer, wenn es eine Partei versteht, ihre Botschaft verständlich und adressatengerecht zu vermitteln. Anderseits bedaure ich es, wenn bei Werbevideos, die bewährten Kriterien leichtfertig missachtet werden, die bei allen Kommunikationsprozessen gelten. Es gibt angeblich kreative Werber, die haben aber leider oft als einziges Ziel, lustig und anders zu sein, als die übrige Werbung. Dies kann es aber doch nicht sein.

Wenn das Ziel eines Werbevideos beispielsweise tatsächlich nur darin bestehen würde, einfach aufzufallen oder von sich reden zu machen, so hatte der Innerschweizer Kandidat Marco Fischer mit seinem grotesken, lächerlichen, selbstgebastelten Werbevideo sein Ziel erreicht. Er wurde im negativen Sinn berühmt. Aber Fischer wurde nicht gewählt. Das Werbeziel müsste sein: Eine glaubwürdige Botschaft anschaulich, kurz, verständlich,  so zu vermitteln, dass sie vom vorgesehenen Publikum akzeptiert wird.

Wer einfach nur originell und anders sein will, macht zwar von sich reden. Er macht sich dabei aber vor allem eines: lächerlich. Ich habe laufend mit verschiedenen Politikern zu tun und dabei letztes Jahr gesehen, dass bei der liberalen FDP, ein durchdachter Kerngedanke im Grunde genommen bei vielen Bürgerinnen und Bürgern eine grosse Akzeptanz finden kann.

Schade eigentlich, dass es der FDP Reinach mit diesem Video nicht gelungen ist, ihr Image zu verbessern.

Marcus Knill
Mittwoch, 15. Februar 2012 um 16:01 Uhr
Kategorien: Allgemeines, Online, Viral, Werbung
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Mission possible

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Die letzte Schlacht auf Schweizer Boden war am 23. November 1847 im luzernischen Gisikon. Anschliessend war es 164 Jahre ruhig. Erst seit der frischgekürte SRG-Generaldirektor Roger de Weck vor einem Jahr seine Onlinestrategie präsentierte, brodelt es wieder. Diesmal zwischen der SRG und den Verlegern. Am vergangenen Dienstag sprach de Weck am traditionellen Communication Summit an der Zürcher ETH. Die Gästeliste lang, die Veranstaltung noch länger, das Buffet dafür sensationell. Das Thema: Die Zukunft des Service public. Der Inhalt: bekannt. Auch im Jahre eins nach seinem Amtsamtritt hat de Weck schliesslich nur eine Mission: Internetwerbung für die SRG. Ein schweizerischer Obama, eloquent, witzig, sogar einleuchtend. Keiner ist der bessere SRG-Lobbyist als der oberste SRG-Mann selbst: das Leutschenbach gegen den Rest der Welt. So paradox es klingt, so schön zelebriert nicht einmal die AUNS das Reduit.

Kein Wort über sinkende Zuschauerzahlen, zurückhaltende Programminnovationen und die europaweit höchsten Gebührengelder; doch dies ist auch nicht de Wecks Job. Dass die Zeitungsmacher mit sinkenden Werbeeinflüssen kämpfen und die TV-Werbung boomt: vernachlässigbar. Natalie Rickli und ihre Gebühreninitiative: in de Wecks Vokabular nichtexistent. Es gehört zur Tragik der Verlegergilde, dass sie keinen adäquaten Gegenpart zu de Weck aufgebaut hat. Mögen ihre Argumente noch so einleuchtend sein, in Bundesbern haben sie – so meine Prognose – gegen die Überzeugungstalent des 58-Jährigen und eine durch Gebührengelder finanzierte Kommunikationsstrategie keinen Stich. In wenigen Wochen gäbe es, so prophezeit de Weck, im Onlinestreit einen schweizerischen Kompromiss. Was möglicherweise heisst: ein bisschen Nachgeben für die SRG und die Existenzfrage für die Verleger. Doch sogar dafür hat de Weck Verständnis. Er habe, und dies meint er erfrischend selbstironisch, alle Seiten im Blickfeld. Soviel Service public bietet nicht einmal die SRG.

Matthias Ackeret
Montag, 13. Februar 2012 um 13:35 Uhr
Kategorien: Allgemeines
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«Okay, okay, dann muss ich mit der Flopstory noch etwas zuwarten»

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Unsere wenigen verbliebenen Medienkritiker bilden ein seltsames Grüppchen. Kurt W. Zimmermann sitzt permanent in Phuket und rüffelt von diesem auch steuerlich optimalen Beobachtungsposten die Schweizer Medien in Sachen Hildebrand. Weiter lässt er sich von seinem Verleger instrumentalisieren, indem er die bisher pickelhart verheimlichten Informationen über die Besitzverhältnisse der Weltwoche streut, weil dies zurzeit (Lex Weltwoche) offenbar opportun ist. Gemäss Zimi durfte Köppel während fünf Jahren nicht verkaufen, was der bisher immer hartnäckig abgestritten hat. Offenbar musste Köppel aber in diesen Jahren einen minutiösen SVP-Ideologiecheck überstehen. Erst nach dem Ende der Fussfesseln für den Besitzer wurden nun diese peinlichen Fakten – gespielt über die hauseigene Kolumnisten-Bande -veröffentlicht. Offenbar gezielt falsch war aber der genannte Verkaufspreis zwölf Millionen, mit dem kein total überrissener Rabatt für ein Objekt mit einem Marktpreis von 25 Millionen vorgegaukelt werden sollte. Der Sonntag behauptet nun aber, es seien bloss zwei Millionen gewesen und beruft sich dabei auf Inside-Informationen. Wenn dies richtig ist, würde dies beweisen, dass Köppel die Weltwoche von Tettamanti/Blocher praktisch geschenkt erhalten hat – das heisst, er musste zwar bezahlen, aber mit Kampagnen statt mit echtem Geld.

Und dann gibt es den Francesco Benini von der NZZ am Sonntag, der seit Längerem eine Anti-SRG-Kampagne reitet. Gleich nach dem Start meiner TV-Sendung hatten wir ein Rencontre. So warf er mir im Rahmen seiner Recherchen vor, dass meine Talkshow keinen Erfolg habe. Darauf legte ich ihm schriftlich die Fakten vor. Nach einigem Hin und Her kapitulierte ein enttäuschter Benini mit folgenden Worten: «Okay, okay, dann müssen wir mit der Flopstory noch etwas zuwarten.» Als sich «Schawinski» zu einer der meistdiskutierten Sendungen bei SF entwickelte, wartete er mit dem Verriss tatsächlich zu. Doch dann, im Rahmen eines Rundumschlags gegen SF und Ruedi Matter, verhackstückte er auch meine Sendung. Diesmal ging er raffinierter vor: Er recherchierte nicht, um sich die gewünschte Story nicht ein zweites Mal durch Fakten verderben zu lassen. Seine Analyse strotzte dann auch vor Fehlern, die ich gar nicht alle auflisten kann. Hier nur eine kleine Auswahl: Ich soll alles allein entscheiden und sei nicht kontrollierbar (jeder meiner Gäste ist mit der Chefredaktion abgesprochen), ausser in einer Sendung seien die Marktanteile tief (nachweislich falsch), bisher hätte ich keine Topshots aus Wirtschaft und Politik aufbieten können (vier Parteipräsidenten, Christoph Blocher, Karin Keller-Suter etc.) Allererster Gast war zudem NZZ-Verwaltungsratspräsident Konrad Hummler – Beninis oberster Chef, für ihn aber kein Topshot. In der Folge bot ich Benini eine Diskussion im «Doppelpunkt » bei Radio 1 an, was er vehement ablehnte. Er sei ein schreibender Journalist, meinte er. Auf meinen Hinweis, dass wir heute in einer interaktiven, multimedialen Welt leben würden, antwortete er, dass ein Konzertkritiker sich auch nicht der Kritik stellen würde. Als ich erwähnte, dass ein Konzertkritiker eine persönliche Meinung verbreite, während ein Medienjournalist vor allem Fakten zu berücksichtigen habe, zog er sich zurück. Und damit machte er klar, welche Art von Journalismus er betreibt. Seine Methode ist nur in einem Punkt anders als bei der Weltwoche: Dort stellt man sich bei Kampagnen selbst der härtesten Kritik. Heckenschütze Benini hingegen ist, um in seiner Terminologie zu bleiben, ein Flopshot.

Roger Schawinski
Montag, 6. Februar 2012 um 10:58 Uhr
Kategorien: Allgemeines, Print, Zeitung
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Der Berg als Werbefläche

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Grossflächtig leuchtete nachts an der Jungfrauwand ein Schweizerkreuz. Der Lichtkünstler Gerry Hofstetter hatte es an die Nordflanke der Jungfrau projiziert. Nun ist  auch das Logo des Pharmamultis Bayer zu sehen. Auch die
Uhrenmarke Tissot und die Bekleidungsfirma Mammut liessen jetzt ihr Logo am Berg  erleuchten.

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Das Ganze war als besonderes Projekt zum 100-Jahre-Jubiläum der Jungfraubahnen gedacht. Die Werbung stiess vielen sauer auf. “Das ist der Gipfel” war zu hören bis: “Ein Berg ist doch kein Werbeobjekt!”

Folgende Frage scheint mir berechtigt: Dürfen im Jungfrau-Aletsch-Gebiet ­ (übrigens ein Unesco-Welterbe)
­ die Berge als Werbefläche missbraucht werden?

Die Sprecherin der Stiftung Landschaftsschutz sagte gegenüber dem “Bund”: “Es tut weh zu sehen, wie multinationale Konzerne die grandiose Berglandschaft zur Werbeleinwand degradieren.”

Auch 18 Heliflüge, die notwendig waren,  um die Ausrüstung für die Lichtinstallation auf den Berg zu bringen, wurden kritisiert:  “Diese Lärmbelästigung hätte vermieden werden können”.

Künstler Gerry Hofstetter verteidigt sich: Im Fussball oder Eishockey wären die Sponsoren und die Werbung viel präsenter.

Mein Eindruck: Dass so ein Event nicht ohne Sponsoring möglich ist, leuchtet ein. Doch müssten solche Aktionen nur mit einer Sonderbewilligung möglich sein. Wenn nicht, besteht tatsächlich die Gefahr, dass die Berge zu
Werbeflächen verkommen könnten. Die Werbeflächen bei Sportveranstaltungen können übrigens nicht mit dieser Aktion verglichen werden. Werbung ja, aber in geregeltem Rahmen.

Marcus Knill
Freitag, 20. Januar 2012 um 15:16 Uhr
Kategorien: Allgemeines
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Der wahre „Schweizer des Jahres“

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Es gibt Heilige, Ganz-Heilige und Philipp Hildebrand. Nur wenige Tage nach seinem erzwungenen Abgang erlebt der ehemalige Spitzenschwimmer eine wundersame Metamophorse: er kann laufen: Aber diesmal übers Wasser. Seine schöne Frau präzisierte via Schweizer Fernsehen: „Blocher hat das Geld, wir Gott.“ Präziser ausgedrückt: “Und die Medien”. Gefallene Engel bleiben Engel und die Weltwoche die Weltwoche. Wäre die Anmeldefrist nicht abgelaufen, man hätte Hildebrand gestern zum neuen „Schweizer des Jahres“ gekürt.Es gibt Dinge, die so unverzeihlich sind, dass sie gegen jeglichen Moralbegriff verstossen: beispielsweise, wenn ein Nationalbanker private Devisengeschäfte macht und der frischgekürte „Journalist des Jahres,“ Urs Paul Engeler, in zugegebenermassen leicht überhitzter Tonalität, darüber berichtet. Dass  der Thurgauer „Ich-seich-grad-i d’Hose“-Anwalt Hermann Lei  die Reinkernation des Bösen informierte, worauf dieser zur damaligen Bundespräsidentin – eine Linke notabene – rannte, stört den Frieden. Dass das Köppel-Blatt in dieser Causa überhaupt recherchierte, grenzt an Landesverrat. Jetzt hagelt es Klagen, höhnte Tagesanzeiger.ch. gegen die Weltwoche.

Fazit nach 14 Tagen „Hildebrand-Affäre:“ Sieger ist nur dessen Kommunikations-Berater. Zwei sorgsam inszenierte Auftritte vor der versammelten Schweizer Presse, eine halbherzige Entschuldigung in bester Clooney-Manier liessen eklatante Widersprüche überhören und die anwesenden Journalisten vollends verstummen. Dass der ehemalige
Nationalbanker, Jean-Pierre Roth, in einem Interview der welschen Zeitung „Le Temps“ Hildebrands Rücktritt als unausweichlich betrachtete, wurde in der Deutsschweizer Presse ignoriert.

Karrierechancen öffnen sich dem Gestrauchelten viele. Vielleicht als Chef eines Schweizer Verlagshauses: Auch Tamedia-Chef Pietro Supino und dessen Berufskollege von der NZZ, Konrad Hummler, kennen das Minenfeld der Finanzwelt. Aus eigener Erfahrung.
Matthias Ackeret
Montag, 16. Januar 2012 um 06:37 Uhr
Kategorien: Allgemeines
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Mit Schaum vor dem Mund in den rechtsfreien Raum

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Roger Köppel mal wieder in seiner Lieblingsrolle: ein als Biedermann verkleideter Brandstifter. Die Attacke auf Philipp Hildebrand könnte aber zum Rohrkrepierer werden.

Halten wir mal kurz die Fakten fest. Nationalbankpräsident Hildebrand hat, wenn man gestohlenen Bankunterlagen glauben darf, Franken in Dollar gewechselt und umgekehrt, dazu Börsengeschäfte getätigt. Das ist weder strafbar noch scheint es, laut mehreren Untersuchungen, gegen Reglemente zu verstossen. Hildebrand ist Banker, die dealen und spekulieren gerne. Das ist ihr Naturell. Ob es in seiner Position unsensibel, anrüchig oder ungeschickt ist, das ist eine andere Frage. Er wird sich heute dazu erklären. Bis zu einer allfälligen Verurteilung gilt zudem die Unschuldsvermutung.

Das sieht das ehemalige Weltblatt «Weltwoche» aber entschieden anders. «Philipp Hildebrand betreibt Insider-Geschäfte», weiss es schon auf dem Titel. Und falls da noch Zweifel bleiben sollten, geifert ein im roten Bereich drehender Journalist: «Der vielgerühmte und auffällig geschniegelte Herr Hildebrand selbst entpuppt sich als Gauner, der sich illegal Vorteile erschleicht.» Der Vorwurf des Betreibens von Insider-Geschäften ist ein Straftatbestand, den bislang unbescholtenen Nationalbankpräsidenten als Gauner zu bezeichnen, ebenfalls.

Aber eigentlich ist es, wenn man der «Weltwoche» glauben darf, was man aber besser nicht tun sollte, noch viel schlimmer. Die Schweiz steht vor dem Abgrund, die Institutionen versagen, nicht nur der SNB-Präsident ist ein ganz schlimmer Finger. Zitieren wir noch ein letztes Mal den WeWo-Journalisten mit zuviel Schaum vor dem Mund: « … die Bundesrätinnen Eveline Widmer-Schlumpf (BDP), Doris Leuthard (CVP) und Bundesrat Johann Schneider-Ammann (FDP) sind Teile einer eigentlichen Staatsaffäre – und ab sofort nicht mehr tragbar.» Um Himmels willen, wir dürfen also noch diese Woche den Rücktritt von Hildebrand und von drei Bundesräten erwarten, plus die Auflösung der Revisionsfirma PwC, dazu wird der Bankrat zum Teufel gejagt und der Chef der Finanzkontrolle tritt auch noch zurück, sozusagen als Kollateralschäden.

Ist es nicht heuchlerisch, die illegal erworbenen Informationen eines Denunzianten zu benützen, der sich weder an bankinterne Stellen noch direkt an die Strafbehörden oder an die Öffentlichkeit, sondern zufällig an den Exponenten einer Partei wendet, die damit gleich zum Sturmangriff auf angeblich versagende Institutionen bläst? Und: Glaubt Roger Köppel wirklich, mit Persönlichkeitsverletzungen, hysterischen Forderungen nach Massenrücktritten und der Verwendung von unter Bruch des von ihm verteidigten Bankgeheimnisses kriminell erlangten Unterlagen einen Beitrag zur Verbesserung der Schweiz zu leisten? Sein fragwürdiges Verständnis des Rechtsstaats bringt er selber unfreiwillig auf den Punkt: «Es liegt im Sinne des Rechtsstaats, das Recht zu verletzen, wenn schlimmere Verfehlungen unterbunden werden können.» Genau diese Mentalität will Platz für den übergesetzlichen Notstand, also Willkür und rechtsfreie Räume, in denen ein als Biedermann verkleideter Brandstifter selbst Ankläger, Richter und Terminator sein kann. Für ihn heiligt der politische Zweck wohl alle rechtswidrigen Mittel. Da wird ihn der durchaus funktionierende Schweizer Rechtsstaat in die Schranken weisen müssen.

René Zeyer
Donnerstag, 5. Januar 2012 um 09:36 Uhr
Kategorien: Allgemeines
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