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  • Der zweite #sbsmTaalk – Im Zeichen der Bewegung

    Der zweite #sbsmTaalk ist in einer gut zweieinhalbstündigen Aufzeichnung hier zu sehen. Er hat am Vorabend des #sbsmCamps stattgefunden, am Dienstag dem 18. Oktober 2011 im Catamaran in Wien.

    So weit als möglich sollte es keine Podiumsdiskussion werden, schon gar nicht nach dem üblichen Schema. Ein Experiment, wie schon das Buch, so wie auch das #sbsmCamp. Via Live-Stream war auch der zweite #sbsmTaalk wieder live mitzuverfolgen. Der Einstieg in den Live-Stream ist am Abend des 18.10. erst nach der sehr langen gegenseitigen Vorstellungsrunde erfolgt, hier ist die volle Länge dokumentiert.

    Wer “vorspulen” möchte: Die Debatte «Im Zeichen der Bewegung» beginnt rund um die Minute 48, mit diesem Link geht es zu diesem Startpunkt auf youtube.com. Wer außerdem die Dokumentation der parallelen Kommentierung und Diskussion auf Twitter an diesem Abend nachlesen will -- nicht lückenlos aber umfangreich -- der oder dem sei die storify #sbsmCamp Dokumentation empfohlen.

    Im Vorfeld angekündigt war:

    Es wird ein Gespräch der Vielen, keine Podiumsdiskussion. Für die zweieinhalb Tage des Camps gilt programmatisch, dass niemand von uns für unsere Organisationen oder für Bewegungen spricht, für diese zweieinhalb Tage sind wir alle Aktivist_innen. So wie keine Audimax-Besetzer_in “für” #unibrennt sondern als Teil einer Bewegung gesprochen hat, so werden wir am Camp nicht als Sprecher_innen Organisationen “repräsentieren” sondern uns einfach als engagierte Citoyens unterhalten, als Aktivist_innen Erfahrungen austauschen, uns vernetzen, diskutieren.

    Bewusst haben wir auf das Ankündigen von Personen mit ihren vollen Namen verzichtet. Bewusst sollten Zuschreibungen zu Organisationen, Schauplätzen, einzelnen sozialen Bewegungen ausgespart bleiben. Daher haben wir nur geschrieben, «beim #sbsmTaalk werden wir also viele sein, Personen aus diversen Feldern». Die erste dreiviertel Stunde vermittelt, welche Personen aus welchen unterschiedlichen Bewegungen hier zusammengekommen sind. Die Vorstellungsrunde war keine, in der ein Podium einem Publikum vorgestellt wurde, sondern ein gegenseitiges Kennenlernen der “Aktivist_innen”, die hier versammelt waren.

    In den Gründen unseres aktiv seins steckt eine Analyse unserer Welt

    Im Ankündigungstext zum zweiten #sbsmTaalk steht gegen Ende auch das:

    Wir haben zwei Thesen und die Annahme, dass sie uns alle mehr oder weniger betreffen,

    ➊ dass wir unser Engagement, dass was wir als “Aktivist_innen” machen, dass wir das nicht als “Hobby” betrachten sondern alle und jede(r) für sich so etwas wie ein “Muss” empfindet;

    und

    ➋ dass das politische System heute das “Primat der Politik” verloren hat und dass die sozialen Bewegungen zunehmend zu den Akteuren werden, die “Politik” bewegen, politische Gestaltungskraft einfordern und politisches Handeln einfordern.

    In diesen beiden Thesen war das Konzept unseres Experiments, war der grobe Fahrplan der Diskussion angelegt. Um es gleich vorwegzunehmen, dieser Fahrplan war nicht einzuhalten. Wir haben den ersten Abschnitt behandelt bzw. vielstimmig angerissen. Zu den weiteren Schritten sind wir nach zwei Stunden einer sehr schönen und interessanten Debatte nicht mehr gekommen. Klar, das war zu hoch gezielt und vielleicht naiv, sowohl vielstimmig in einem Raum neuer Begegnungen eine Debatte anzufangen und sie dann auch gleich zu einer umfassenden Analyse unserer Welt weiterführen zu wollen, zu einer kollektiven Beschreibung der Gegenwart aus unseren unterschiedlichen Perspektiven.

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    Wo hätte die Reise hingehen sollen, hätten wir unser Gespräch noch länger weitergeführt? Was waren die Überlegungen, die zum Versuch dieser Gesprächsanordnung geführt haben?

    Nun, um das zu skizzieren, muss ich noch einmal etwas ausholen. Diese Skizze ist nicht ganz unwichtig, denn es geht hier nicht nur um die experimentelle Anordnung des 2. #sbsmTaalks an diesem Dienstag Abend im Oktober. Es geht um etwas, das schon dem Buch vorausgegangen ist, das Buch erst ermöglicht hat und auch das “Soziale Bewegungen und Social Media Camp” tief verwoben durchzieht. Es geht um das Moment des Aufstehens, des für etwas aktiv Werdens, des sich Engagierens, des aktiv Stellung Beziehens, das Moment des sich Exponierens und außerhalb des Alltags Handelns.

    Diesem zentralen Moment des Aufstehens, des «Genug ist genug» war am Camp übrigens ein eigener Raum gewidmet; hier die Ankündigung zu diesem Gespräch und hier die Aufzeichnung.

    Es geht nicht darum, dieses zentrale Moment zu überhöhen. Es geht nicht darum, dieses Moment analytisch richtig zu benennen und in den Mittelpunkt der Selbstreflexion und/oder einer Theoriebildung zu stellen.1 Wir können das Moment des Aufstehens gerne so oder anders benennen, das tut hier nicht viel zu Sache. Und zuletzt geht es schon gar nicht darum, uns gegenseitig zu taxieren, ob wir auch wirklich alle “aufgestanden” und ausreichend und richtig aufgestanden sind.

    Zentral ist am Moment des Aufstehens für unsere Auseinandersetzung vielmehr, was in diesem Moment an Wissen und an Perspektive drinnen steckt.

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    Das was hier laufend als Moment des Aufstehens bezeichnet wird und übrigens keine allgemeine, abstrakte sondern konkrete Situationen bezeichnen soll, in dem steckt einiges, was uns weiterhelfen kann. Im Moment des «genug ist genug» Aufstands steckt immer die Vorstellung, dass es “so” nicht sein soll und “so” nicht weiter gehen kann. Im Aufstehen und sich engagieren steckt immer auch eine Vorstellung davon, was im Argen liegt und wie es (besser) sein sollte. Und es steckt in diesem Moment des Aufstehens und sich Engagierens das Wissen, dass wir für unsere Umgebungen mitverantwortlich sind und sie mitgestalten können.

    Das ist zumindest die nächste These: in jedem konkreten Engagement steckt ein Sich-in-den-Weg-Stellen ebenso wie ein Es-vormachen-und-Verantwortung-übernehmen. In der Verallgemeinerung mag das banal und diffus sein, in den konkreten Situationen ist es das nicht. Ob wir uns bewusst befragen oder einfach handeln, uns leitet das Wissen, dass es so, wie es läuft, nicht laufen sollte -- sondern anders.

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    Wir können das ganze #sbsm Handbuch Beitrag für Beitrag durchgehen, wir werden diese Elemente immer finden. So wie es ist -- und so wie “die Politik”, die Strukturen oder die konkreten Akteure am längeren Hebel des Machtverhältnisses das haben wollen -- so geht das nicht. Warum? Weil es falsch ist. Weil es ungerecht ist. «Gerechtigkeitssinn», hat das Herta Wessely im hier aufgezeichneten Gespräch genannt. Robert Foltin ist es, wie oben zu hören, «immer darum gegangen, das eigene Leben parallel mit der Welt zu verändern. Ich will am Alltag ansetzen».

    Die Alltagserfahrungen sind das Konkrete. Überfüllte Hörsäale mit Lehrenden, die sich die Lehre kaum leisten können während mensch sich das Studium kaum leisten kann. Die Überwachung, der mensch sich kaum entziehen kann, während die Rhetorik der Verdächtigung, Schuldzuweisungen und Vorverurteilung auf uns niederregnen. Die Bewegungsmöglichkeiten, die immer weiter eingeschränkt werden, während wir erfahren, wie andere uns überall und über jeden Kanal mitteilen dürfen, wieviel sie nicht wie gut zu unserem Wohle tun oder was wir nicht kaufen sollten. Die Reallohn- und Kaufkraftverluste, während mensch mehr arbeitet und der Reichtum in unserer direkten Umgebung immer sichtbarer und präsenter wird. Die öffentlichen Räume und Güter, die immer mehr verschwinden und anderen Menschen gehören oder uns nur gegen Bezahlung und Auflagen zur Verfügung stehen sollen, wenn überhaupt. Aber das klingt schon wieder abstrahiert und allgemein, oder? Fast beliebig. So beliebig wie der Satz, “ich will eine bessere Welt”.

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    Im Moment des Aufstehens ist das nicht enthalten, das beliebige die Welt verbessern. In den Alltagserfahrungen und den konkreten Momenten des Aufstehens sind die Empiriker_innen zu finden, das erfahrene Wissen, dass es so wie es läuft nicht gerecht läuft und dass es anders laufen könnte und sollte. In den konkreten Momenten des Aufstehens sind die Praktiker_innen zu finden, das Praxiswissen, wie es ist Aufzustehen, sich in den Weg zu stellen und etwas zu unternehmen. Wenn wir uns also über unsere konkreten und damit jeweils sehr unterschiedlichen Situationen unterhalten, in denen wir aufgestanden sind, dann tauschen wir konkrete Erfahrungen von ungerechten Situationen und Verhältnissen aus. Wenn wir uns über die Praxis unseres In-den-Weg-Stellens und unserer Unternehmungen austauschen, also als Unternehmer_innen Erfahrungsaustausch betreiben, uns als Entrepreneurs die Hintergründe unsere Arbeiten und Arbeitsweisen berichten, dann entsteht sowohl ein Handbuch, wie mensch in solchen Situationen handeln kann, als auch ein größeres und verdichtetes Bild von Gemeinsamkeiten und Strukturähnlichkeiten.

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    Es war eines von mehreren parallelen Zielen -- und eine Hoffnung -- bei der Konzeption und Arbeit am Buch, dass die Fülle der Erzählungen etwas herausarbeitet, was in den einzelnen Beiträgen alleine nicht sichtbar sein kann. Im #sbsm Handbuch ist diese Synthese angelegt. Ob das gelungen ist, das würde mich zwar sehr sehr sehr interessieren, aber auf ein solches Feedback werde ich noch etwas warten müssen. Der zweite #sbsmTaalk im Zeichen der Bewegung, so wie das ganze zweitägige #sbsmCamp an den Folgetagen, ist mit der gleichen Hoffnung, einer ähnlichen Intention und nach dem selben Muster gestrickt.

    Der Fahrplan geht von den konkreten Auseinandersetzungen aus, vom Austausch über diese im Alltag erlebten Auseinandersetzungen, von der Diskussion über unsere Erfahrungen, von der Vernetzung diverser Fallbeispiele und Akteur_innen. Der Fahrplan versucht diese Debatten, die Vernetzung und die Fragen zu moderieren, in der Hoffnung, dass sich aus dem Austausch für möglichst viele Beteiligte Synthesen selbst herausbilden.
    Der #sbsmTaalk am Vorabend sollte die zwei folgenden Tage des Camps nicht vorwegnehmen und das Camp selbst will wiederum vielmehr Experiment, Exploration und Anstoss zur Analyse sein, als deren Endpunkt.

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    Das Konzept und das Experiment lässt sich vielleicht so zusammenfassen: Wir möchten die üblichen, die vorbereiteten, die Zusammenfassungen liefernden Erklärungen vermeiden, die Statements draußen lassen, und den Raum für die Debatte und die gegenseitige Befragung reservieren. Zumindest möglichst. Und außerdem vor einem ganz klaren und bewussten Hintergrund: Nämlich dass wir alle sehr viel wissen. Wir wissen, was für uns nicht tragbar ist, und wir wissen, dass wir es anders haben wollen.

    Es gibt den einen Gegenentwurf nicht, es fehlt dieser Zeit die große Theorie, die messianische Vision. Das unterscheidet unsere Gegenwart, die immer mehr Menschen als Schwellenzeit wahrnehmen, von den letzten eineinhalb Jahrhunderten.

    Beim Zusammentreffen einiger Aktivist_innen aus verschiedenen sozialen Bewegungen wird es die große geteilte Vision sicherlich auch nicht geben. Gut so. Die Fachtagungen, bei denen die Theorien mittlerer Reichweite bis hin zu den großen Visionen dargelegt, vorgetragen und analysiert werden, die gibt es. Vielleicht auch nicht in ausreichender Zahl, aber zu Hauf. Sie setzen viel voraus, funktionieren deduktiv. Vom Allgemeinen wird das Konkrete abgeleitet.

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    Wir möchten umgekehrt arbeiten, also induktiv. Der Plan war, über banale konkrete Kämpfe zu sprechen und über den banalen Alltag des Engagements, über die Probleme, Hürden und Freuden. Wenn wir das tun, werden wir laufend auf konkrete Visionen stoßen, wie etwas da und etwas hier und etwas dort besser zu organisieren ist. Wahrscheinlich werden wir geteilte Erfahrungen finden, auf ähnliche Problemlagen kommen und gemeinsame Gegner_innen besser erkennen.

    Archiviert ist diese Aufzeichnung wie auch alle anderen Videos und Audiodateien rund um das #sbsm-Projekt im #sbsmTV Blog.

    1. Nothing wrong with that. Das wäre durchaus reizvoll, ist hier aber ganz simpel nicht das, womit wir uns zuerst auseinandersetzen. [
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