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Happy Schnitzel

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Das Leben im Pyjama, unaufgeregt.

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Im Vorbeigehen sehe ich das kleine Schild in einem Ladenbürofenster, und denke, dass genau das noch fehlt: Ein Geschäft für einzelne Worte. Der Laden wäre sonst ziemlich leer, aber man könnte reinkommen, wenn einem dieses eine Wort fehlt. Ein Wort, das es schon gibt, das einem aber genau jetzt nicht einfallen will. Oder ein Wort, das es noch nicht gibt, obwohl man es dringend braucht. Ein Wort für das Gefühl, wenn man in diesem unendlichen Winter aufwacht und es draußen immer noch schneit. Ein Wort für den Moment, in dem eine Freundschaft endet, als hätte der DJ plötzlich den Soundregler auf Null gedreht. Ein Wort für diese Vertrautheit mit Menschen, die man bisher nur aus dem Internet kannte und die sich trotzdem näher anfühlen als viele der Menschen, die man täglich sieht.

Ein Wort für den Augenblick, wenn mitten im Lied auf einmal die Gitarren einsetzen und alles eine Nummer größer wird. Ein Wort für das Gefühl, dass man etwas zuhause vergessen hat, aber noch nicht genau weiß, was. Ein Wort für all die ungestandenen Geständnisse und eins für den Moment, in dem ein einzelner Geruch eine komplett andere Realität frontal ins Bewusstsein knallt. Man könnte reinkommen und Worte passend zur Tageszeit auswählen, manche Begriffe funktionieren schließlich nur nachts oder frühmorgens. Neben der Tür hinge ein Schild Alle Kassen und manche der Worte wären verschreibungspflichtig; andere könnten nur heimlich unter der Ladentheke verkauft werden. Dann gehen wir einfach weiter, als Fußgänger.

by Sue in Leben


Mit einem Wort: Wow.

by Sue in Leben

“Whatever you are, be a good one.”


Meine reguläre Aufmerksamkeitsspanne bei Videos im Internet liegt für gewöhnlich bei maximal 3 Minuten – trotzdem habe ich mit diese Keynote der SXSW Interactive von Tina Roth-Eisenberg ganz angesehen. Weil ich ein riesiger Swiss Miss-Fan bin. Und weil ich hinter fast jeden ihrer Sätze ein Ausrufezeichen setzen wollte. Ja, ja und ja.

by Sue in Empfehlung

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Langsam faltet er die Zeitung auseinander, um die Rückseite des Feuilletons zu lesen, seine Arme falten sich mit riesigen Papierflügeln einmal quer durch die Bahn und wieder zusammen. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal eine so große Printzeitung in den Händen hielt, ich mag die Haptik des Papiers, aber das Umblättern ist zu umständlich. Er runzelt die Stirn beim Lesen und plötzlich sehe ich die kleine Nadel, die ganz unten in seinem Hemd steckt, eine der Nadeln, die das Hemd in der Verpackung in Form hält, nach dem Auspacken einfach vergessen.

Zwischen dem Klopapier und den Qtips wird es für einen Moment laut, während ein angeschlagenes Paar im Mittelgang einen Stellvertreter-Streit zelebriert. Eigentlich geht es um irgendetwas anderes, er zeigt auf eine Packung Tampons und sie auf eine andere, er schreit, dass sie sich nicht so anstellen soll, sie sagt, es sei einfach so kompliziert mit ihm, und im Vorbeigehen frage ich mich, wann das eigentlich anfing, dass auf einmal alles kompliziert gefunden wurde. Der Nahostkonflikt ist kompliziert – zwischenmenschliche Beziehungen sind es eigentlich nie; sie sind höchstens unschön, aber die meisten Menschen können heutzutage das Eine nicht mehr vom Anderen unterscheiden.

Beim Heimkommen fische ich einen Brief der Post aus dem Briefkasten, Meta-Ebenen-Bingo, Ihr Nachsendenantrag läuft bald aus und auf einmal fällt mir auf, dass das erste halbe Jahr hier schon fast wieder vorbei ist, ich habe es nicht mal bemerkt, ich habe die Tage nicht gezählt. Auf der Suche nach Flügen kann ich mich nicht entscheiden, wohin oder wann; vielleicht ist es genau diese Mischung aus Heimweh und Fernweh, die dafür sorgt, dass das Bleiben gut funktioniert.

by Sue in Leben

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Wettschulden sind Ehrenschulden, auch morgens um acht, also lege ich die Bügelflasche auf das Kassenförderband, sonst nichts, ich brauch’ nichts; jedenfalls nichts aus dem Sortiment hier. Die Frau vor mir legt mit zittrigen Händen einen Warentrenner zwischen ihre vier Whisky-Cola-Dosen, den blassen Scheiblettenkäse und meine Bierflasche.
Diese Uhrzeit also. Sie zahlt und kramt mühsam ihre Einkäufe zusammen, als ich plötzlich dran bin und die Kassiererin die Flasche blitzschnell über das Scannerlicht zieht.
Ob es dafür nicht ein bißchen zu früh wäre, fragt sie mich.

Alles, was ich sagen könnte, würde sich sowieso nach einer schlechten Ausrede anhören; also sage ich nichts. Ich bin nicht gekommen, um mich zu rechtfertigen, nicht hier, nicht jetzt; erst recht nicht, während die Frau neben mir ihre Whiskymischgetränke in ihre zu kleine Tasche drückt. Das ist eine der Errungenschaften des Erwachsenwerdens: in jüngeren Jahren hätte ich nach so einer Frage die Flasche direkt in der Kassenzone geöffnet und mit großen Schlucken geleert, um dann die Kassiererin  zu fragen, ob sie mir nicht einfach gleich den Flaschenpfand zurückgeben kann. Jetzt also nicht mehr, ich schaue sie einfach nur zu lange an und drücke ihr einen Schein in die Hand.
Ob ich es nicht passend hätte, fragt sie mich. Zur Zeit nicht, sage ich.

by Sue in Leben

Völlig ohne Übertreibung: Das allerlustigste Musikvideo der Welt. Like, forever.
(Darwin Deez “You Can’t Be My Girl” from Keith Schofield.)

by Sue in Leben

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ICH KANN ES NICHT GLAUBEN steht auf einem der Schilder vor dem Laden. Die Menschen hinter der Scheibe sehen aus, als könnten sie es auch nicht glauben, sie starren matt und müde. Das Glauben kommt später, das Verstehen auch. Vor einigen Tagen hing an der heruntergelassenen Ladenjalousie ein Zettel mit der Aufschrift “Wegen Krankheit geschlossen”, ein paar Tage später wurde er ersetzt durch den Zettel “Wegen Todesfall geschlossen”. Jetzt gibt es noch mehr Zettel, auf denen vermeldet wird, wann man seine Schuhe noch abholen kann, nur noch abholen, unrepariert. Der Laden wird geschlossen, sie wickeln das jetzt ab, sie geben die letzten Schuhe raus und dann räumen sie alles auf, der alte Mann ist nicht mehr da.

Vor dem Laden stehen Blumen und viele Kerzen; diese Grablichter, die schier endlos brennen, Tag und Nacht. Karten sagen Auf Wiedersehen und ICH KANN ES NICHT GLAUBEN. Jeden Tag gehe ich daran vorbei, manchmal bleiben andere Passanten stehen und lesen sich die Schilder und Karten durch, dann sehen sie sich auf dem Bürgersteig um, um zu erkennen, ob es hier passiert ist, ob es genau hier war? Aber da ist nichts, kein Absperrband, und dann verstehen sie auf einmal: es gibt hier nichts zu sehen, bitte gehen Sie weiter.

Das war kein Unfall, das war das ganz normale Leben, immer weiterarbeiten, keine Rente, plötzlich sterben. Jeden Tag gehe ich vorbei und denke, dass es genau gut ist, dass wir nicht wissen, wie viel Zeit uns hier bleibt; dass wir unsere eigene Haltbarkeit hier nicht kennen, weil es uns so viel Angst machen würde. All die Dinge, die wir noch erledigen wollen. All die Pläne, die wir noch umsetzen wollen, wenn wir doch nur Zeit hätten. All die Leben, die wir noch führen wollen, später. Dann gehe ich weiter, denn es gibt hier nichts zu sehen.

by Sue in Leben


And if a Double Decker Bus crashes into us,
to die by your side is just a heavenly way to die. 

by Sue in Leben

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by Sue in Leben

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Berufsverkehr nennen sie das hohe Menschenaufkommen zur Feierabendszeit in öffentlichen Verkehrsmitteln; kollektive Erschöpfung, Schulter an Schulter. Zwischen all den winterbemantelten Menschen stecken zwei Kinder, das eine noch im Kinderwagen, das andere steht daneben. Aus dem Kinderwagen heraus wird geweint, das größere Kind beugt sich drüber und patscht dem Kleinen mit den Händen besorgt ins Gesicht, um ihn zu trösten und steckt ihm als gutgemeinte Allzweckmaßhnahme den Schnuller in den Mund. Falschrum.
Immer und immer wieder falschrum, es schmerzt beim Hinsehen. Der Schnuller zeigt nach unten und spendet dabei keinen Trost. Immer und immer wieder wird der Schnuller empört ausgespuckt, er fühlt sich einfach nicht richtig an. Jedes Mal wird er daraufhin wieder falschrum zurückgesteckt, und das Weinen wird schlimmer.
So ähnlich muss sich ein Computer fühlen, wenn man mehrfach versucht, einen USB-Stecker falschrum einzustecken.

by Sue in Leben

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