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Christoph Bannat | Bücher

Kunst und Comic 3

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Art Spiegelman,Breakdowns.

Es gibt Leben die ständig bearbeitet werden müssen.

Art Spiegelman, Breakdowns-Porträt des Künstlers als junger Mann.
S.Fischer-Verlag 29.90 Euro
Ben Katchor, Der Jude von New York. Avant-Verlag,19.95 Euro

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Art Spiegelman,Breakdowns.

Künstler kennen Leben die sich ständig ihrer selbst vergewissern- und sich dies immer wieder von neuem vergegenwärtigen müssen. Leben die nicht selbstverständlich zu Sein scheinen, die sich nicht von selbst verstehen. Leben die sich erst recht auf keine Konstruktion von Nation, Volk oder Rasse, diesen jämmerlichen Schwachsinn, berufen können und wollen. „ Der Einwanderer ist für den Beheimaten noch befremdeter, unheimlicher als der Wanderer dort draußen, weil er das dem Beheimateten Heilige als Banales bloßlegt“, Vilém Flusser, aus „Bodenlos“.

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Art Spiegelman,Breakdowns.

Zwei jüdische New Yorker Comic-Autoren, der legendäre Art Spiegelmann und Ben Katchor, thematisieren auf sehr unterschiedliche Weise Formen von Bodenlosigkeit. Das sind, Art Spiegelmanns mit der Neuauflage von „Breakdowns-Porträt des Künstlers als junger Mann“ von 1977 und die deutsche Erstveröffentlichung „Der Jude von New York“ von Ben Katchor. Art Spiegelman bekam als einziger Comickünstler den Pulitzer-Preis, für seinen Jahrhundertwerk „Maus“. „Maus“ ist die Geschichte der Vernichtung und des Überlebens seiner Familie und Verwandten im Vernichtungslager Auschwitz. Gleichzeitig kann sie aber auch als Gegenentwurf zu Disneys Mäuse-Verdrängungswelt gelesen werden kann.

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Art Spiegelman,Breakdowns.

Neun Jahre vor „Maus“ erschienenen „Breakdowns“. Der Comic erzählt, mit vielen biografischem Bezügen, unter anderen auch von der Entstehung von „Maus“. Übersetzt wurde „Breakdowns“ bereits 1980 von Heinz Emigholz, Film-Künstler und heute UDK-Lehrer, der als einziger „freier Künstler“ jemals in Spiegelmans Raw- Comicmagazin veröffentlichte.

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Art Spiegelman,Breakdowns.

Neben Fragmenten der „Mause“-Geschichte, ist „Breakdowns“ das wohl umfangreichste Comic-Theoriewerk dass dies Medium hervorgebracht hat. Das Besondere, der Comic theoretisiert sich mit den Genreeigenen Mitteln. Er untersucht spielerisch die vielfältigen Bedingungen des Genres. Ihn interessieren formal, inhaltlichen und soziologische Aspekte gleichermaßen. Dabei geht er einmalig originell, sprunghaft, aggressiv und auf befreiend Weise vulgäre vor. Und da sich das Vulgäre, also das Gewöhnliche, im Dauerstreit mit dem zwanghaften Anspruch der „freien“ Kunst, immer außergewöhnliche sein zu wollen, befindet, kommen in „Breakdowns“ auch „freie“ Künstler wie Goya, Picasso, Munch, Modigliani, oder Boticelli in Bild und Schrift vor. Wobei dem begnadeten Erotomanen Picasso die meiste Be-und Mißachtung zukommt.

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Ben Katchor,Der Jude von New York.

1951, dem Jahr in dem die Spiegelmans in New York ankommen, wurde in eben dieser Stadt Ben Katchor geboren. Ben Katchor veröffentlichte 1998 “ The Jew of New York”, ein brillant recherchierter Reigen von jüdischen Lebensläufen die einander in New York überschneiden. „The Jew of New York“ ist Katchors klomplexeste Geschichte und wurde jetzt ins Deutsche übersetzt. Die Geschichten spielen im New York der 1830er Jahre, den New Yorker Gründerzeitjahren.. Es wimmelt von skurrilen Deklarationen, pseudo wissenschaftlichen Traktaten, gefälschten Attraktionen, obskuren Sekten, Onanisten und Antionanisten, Bärenfell Jägern, Erfindern und Händlern. Die Gründerzeit um 1830 befeuerte, nicht nur in New York, einen freischaffenden Dilettantismus, der sich in den neuen, prosperierenden Stadt entlädt. Doch Katchors komplex angelegtes Figurentheater überzeugt erst nach einigem Lesen. Wenn einem bewusst wird, dass hier Comic die kaleidoskopische Vielfältigkeit jüdischer Lebensentwürfe gefeiert wird, in einer Zeit rasanter Industrialisierung und neuen Glücksversprechen für die Masse. So handelt dieser Comic auch vom Aufstieg Amerikas. Zu einer Zeit in der ca. 1000 Juden in New York lebten und der Staat noch nach seiner Identität suchte. Lange bleibt undeutlich wohin die ineinander verzweigten Geschichten führen sollen. Denn warum sollte einen das jüdische Leben um 1830 in New York interessieren? Doch im letzten Drittel des Comic wird Katchors Idee, ein Lobgesang auf die befreiende Verwirrung die mit der Zerstörung von ( hier jüdischen) Klischees einhergeht. Denn „Den Juden“, das wir bei diesem Comic einmal mehr deutlich, gibt es nicht, er ist eine Zuschreibung Anderer. Gleichzeitig läßt Katchors Haltung Sympathie für einen undogmatisch, gedämpft wuchernden Anarchismus erkennen. Denn es bleibt die Faszination für die Vielfältigkeiten nicht nur des jüdischen Lebens.

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Ben Katchor,Der Jude von New York.

Jeder kennt die Bodenlosigkeit aus eigener Erfahrung. Wenn er vorgibt, sie nicht zu kennen, dann nur, weil es ihm gelungen ist, sie immer wieder zu verdrängen: ein Erfolg, der in vieler Hinsicht sehr zweifelhaft ist. Aber es gibt Menschen für die Bodenlosigkeit die Stimmung ist , in der sie sich sozusagen objektiv befinden...Solche Menschen können als Laboratorien für andere dienen. Vilém Flusser ( Bodenlos).

Christoph Bannat, 26.05.09 | Mehr von dieser Autorin/diesem Autor

 

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